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Wenn dich dein Kind in 20 Jahren fragt,


„wo warst du, als sie mich dir entfremdeten, als sie mich zwangen, dich zu fürchten und zu hassen und mich von meinem Kindsein zu verabschieden“,

dann sage nicht,
 
„ich habe alles versucht, aber die Anderen, das Gericht, das Jugendamt ...“,

sage dann:

„Ich war überfordert.

Sie nahmen dich mir weg, sie zwangen mich, zu resignieren. Gegen Gerichte und Behörden bist du machtlos. Immer schon. Der Rechtsstaat hört dort auf, wo die Gesellschaft der Staatsräson freies Spiel lässt.

Ich litt. Ich litt, weil auch du littest. Weil du mehr littest als ich. Du warst ein Kind. Am Anfang deines Lebens. Du konntest nicht verstehen, was dir geschah. Du wusstest nur, dass es falsch war. Du wusstest aber nicht, was richtig wäre. Das durftest du nie lernen.

Alle Macht liegt beim Richter. Und wenn eine „neue“ Stelle erfunden wird, die das Kindeswohl – noch besser – sichern soll, dann leitet auch diese ihre Macht wieder nur von der Macht des Richters ab.

Mächtige werden mächtig, weil sie Macht BESITZEN und NICHT VERTEILEN wollen.

Nicht die Aktenlage wird der Wirklichkeit angepasst, die Wirklichkeit wird der Aktenlage angepasst. Und von Anfang an – ohne es ahnen – bist du
... eine Hexe, der die Inquisition das Verbrechen gegen das Volk,
... ein Adeliger, dem das Revolutionstribunal das Verbrechen gegen das Volk,
... ein Bojar, dem ein stalinistisches Gericht das Verbrechen gegen das Volk,
... ein Widerstandskämpfer, dem der Volksgerichtshof das Verbrechen gegen das Volk
nachweist.

Es geht immer um Verbrechen gegen das Volk, gegen die Menschlichkeit. Um Verletzungen der Menschenrechte. Und dabei sind oft die ordnungsgemäß geführten Verfahren die schlimmsten Verletzungen der Menschenrechte.

Und je mehr die Fassade der ordnungsgemäß geführten Verfahren bröckelt, um so brutaler werden sie. 

Und ich war des Verbrechens schuldig, gegen das Interesse deines Kindeswohls verstoßen zu haben.
Und dich zu lieben, nannte sie "unkooperativ" zu sein.

Und dabei war ich einfach nur überfordert. Ich durfte früher nicht die Hilfe und der Schutz deiner Kindheit sein. Deine Heldin, die Milch wärmt, Tee kühlt und mit Honig süßt, Schrammen heilt, Licht anmacht, Licht anlässt, Licht ausmacht, Geschichten erzählt und Geschichten zuhört, Tränen trocknet, mit dir traurig ist, über deine Witze lacht und stolz auf dich ist. Weil du bist, wie du bist.

Die zu dir aufgesehen hat, als du kleiner warst, und auf dich geschaut hat, als du größer wurdest.

Die für dich da war, auch wenn ich einmal nicht da war.
Sie schafften es, für dich nicht da zu sein, auch wenn ich einmal da war. 

Ich hoffe nur, dass du vor deinen Kindern nicht einmal eine ähnliche Rechenschaft ablegen musst.

Es gibt kein Scheidungsgen, aber es gibt Anstrengungen, nicht das Beisammenbleiben, sondern das Auseinandergehen, nicht das Retten der Familien in Krisen, sondern das Zerstören der Familien auch ohne Krisen zu forcieren. Und dieser Anstrengungen, mein Kind, musst du gewahr werden. Dann hat unsere Trennung vielleicht doch einen Sinn gehabt. Den Sinn, dass dir und deinen Kindern ein ähnliches Schicksal erspart bleibt.   

Kommentare

  1. Vielleicht war Sulla der letzte ehrliche Staatsmann, der die Proskriptionen mit keinen Ausreden beschönigte.
    Noch heute rätselt die Wissenschaft, warum er am Höhepunkt seiner Macht die Diktatur freiwillig niederlegte; ein freiwilliger Verzicht auf die absolute Macht ist dem Menschen fremd und mutet pathologisch an.

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